Sucht und Subjektivität in der Spätmoderne

thu14nov19:00Sucht und Subjektivität in der SpätmoderneVortrag19:00

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Vortrag & Diskussion mit Alexandra Schauer

Rausch und Ekstase sind gewissermaßen universale Phänomene. Als sakrale, rituelle oder alltägliche Praktiken haben sie in der Geschichte der Menschheit seit jeher eine Rolle gespielt. Das gilt nicht gleichermaßen für das Phänomen der Sucht. Als Erfindung des 18. Jahrhunderts, in dem sie zunächst in Gestalt der Trunksucht, später in Gestalt der Opiumsucht die Gemüter bewegte, wurde sie zu einer Zeit entdeckt, als sich der Mensch als autonomes, geschichtsmächtiges Subjekt zu verstehen begann. Die Entdeckung der Sucht stellte die dunkle Kehrseite der Entstehung bürgerlicher Subjektivität dar. Beruht diese auf Selbstkontrolle und Selbstdisziplin, mittels derer das Ich über seine Triebe, Affekte und Neigungen Herr zu werden sucht, stellt die Sucht eine Infragestellung dieser Selbstbeherrschung dar. Der juristische Tatbestand der Unzurechnungsfähigkeit legt davon Zeugnis ab.

Im Vortrag soll dem zivilisationsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen der Entstehung bürgerlicher Subjektivität und der Entdeckung der Sucht nachgegangen werden. Zugleich wird das Verhältnis von Sucht und Subjektivität in die Gegenwart verfolgt. Im Zentrum steht dabei die These, dass Drogen im Übergang von der bürgerlichen Moderne in die spätmoderne Gegenwart ihre gesellschaftliche Funktion gewandelt haben: Hatte der Rausch einstmals der Flucht aus einem gesellschaftlichen Lebens gedient, indem sich der Bürger nur durch Selbstkontrolle und Selbstdisziplin und der Arbeiter durch Verkauf seiner Arbeitskraft erhalten konnte, so stellen Drogen in der Gegenwart nicht mehr das Andere der Arbeitsgesellschaft dar. Vielmehr sind Drogen zu einem integralen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens geworden. In ihrer populärsten Gestalt begegnen sie heute als Mittel, mit denen das »unternehmerische Selbst« nach seiner beständigen Optimierung strebt.

Zur Person

Alexandra Schauer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Soziale Entwicklung und Strukturen an der LMU München. Sie arbeitet zum Wandel von Selbstverhältnissen und Weltbeziehungen in der spätmodernen Gegenwart.

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